Rhein-Energie-Stadion Köln am 12.9.2024
Bei Trauerfeiern lernte man den gestorbenen Menschen noch einmal neu kennen. Ich hatte die Gelegenheit und das Glück, bei den Abschiedszeremonien prominenter Kölner Bürgerinnen und Bürger zugegen gewesen zu sein, zuletzt verabschiedete man den hellsichtigen Kabarettisten Richard Rogler, vor einiger Zeit die Grande Dame der Photographie, Lady Renate Gruber, und den engagierten Journalisten Walter Vitt, den Biografen des Dada-Künstlers Johannes Theodor Baargeld. Alle wurden auf Melaten begraben. Hier liegt nun auch der Fußballtrainer Christoph Daum.
Eine Trauerfeier für Christoph Daum im provisorischen Zelt auf dem Melatenfriedhof? Undenkbar! Tausende von Menschen wollten seiner am heutigen Donnerstag gedenken, diese Dimensionen sind selbst für Melaten zu gewaltig. Also verlegte man die Feier ins Rhein-Energie-Stadion, den Ort, an dem Christoph Daum zum Trainer-Star wurde.
70 Jahre war er alt geworden, bis ihn seine Krebserkrankung bezwang, ihn, den Kämpfer. Mit ihm scheint eine Trainergattung auszusterben: der Motivationstrainer. Mit hochrotem Kopf sprintete er durch die Coachingzone, immer auf Ballhöhe, er nagelte 40.000 DM an die Kabinentür, um seinen Spielern die Meisterprämie visuell zu präsentieren, ein anderes Mal ließ er sie über Glasscherben laufen – Mut war gefragt! Den hatte der streitbare Trainer auch, als er sich mit dem Kaiser anlegte, dem großen Franz Beckenbauer, der laut Daum 1988 bei der Fußball-EM auf die falschen Spieler gesetzt hatte. Beckenbauer entspannt: „Was kümmert es den Mond, wenn der Hund ihn anbellt?“ Daum schlagfertig: „Man müsste sich fragen, ob es sich um einen zunehmenden oder abnehmenden Mond handelt.“ Auch das Rededuell zwischen Daum und Udo Lattek auf der einen Seite und Uli Hoeneß und Jupp Heynckes auf der anderen Seite im Aktuellen Sportstudio 1989 ist legendär. Dass Hoeneß später mit zutreffenden Kokain-Vorwürfen Daums Karriere als Bundestrainer verhinderte, hat dieser ihm schließlich verziehen.
Interessanterweise findet die Trauerfeier in Köln statt, nicht in Leverkusen, Stuttgart, Wien oder Istanbul; Bayer Leverkusen verhalf er dreimal zur Vizemeisterschaft, mit zwei türkischen Vereinen, dem VfB Stuttgart und Austria Wien wurde er Landesmeister, mit Köln einmal nur Vizemeister. Aber in Köln begann seine Trainerkarriere, hier förderte er junge Spieler wie Pierre Littbarski, Thomas Häßler, Toni Schumacher, hier wurde er zur Legende. Vor allem der Wieder-Aufstieg des 1. FC Köln 2007/08 ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. Seine überraschende Entlassung während der WM 1990 durch eine Art Handstreich des damaligen Vereinsbosses Artzinger-Bolten hat seinen Ruhm in Köln eher vermehrt – der FC war zu der Zeit Vizemeister und ärgster Konkurrent von Bayern München.
In Köln also die Feier. 3.000 Menschenwaren gekommen. Die Höhner, die die FC-Kulthymne „Mer stonn zo dir, FC Kölle“ 1998 schufen, sind natürlich live dabei, die komplette FC-Spitze mit Präsident Dr. Werner Wolf, Moderator Thomas Helmer, FC-Legende Pierre Littbarski, Rudi Völler, Rainer Calmund, Thomas Häßler und Bundesminister Cem Özdemir. Dazu auch das Turkish Chamber Orchestra and Choir unter der Leitung von Betin Güneş.
Christoph Daum war nicht unumstritten. Manchen lockeren Spruch hatte man ihm übelgenommen, gegenüber den Gentleman-Trainern wie Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes wirkte er gelegentlich etwas halbseiden. Aber bei der bewegenden Trauerfeier in „seinem“ Stadion, in dem er sogar seiner Frau am Anstoßpunkt das Ja-Wort gegeben hatte, wurde der Mensch Christoph Daum deutlich. Michael Meier, hartgesottener Fußballfunktionär, langjähriger Geschäftsführer des 1. FC Köln und von Borussia Dortmund, berichtete von der frühen Trainerzeit Daums in Köln und brach in Tränen aus. DFB-Präsident Bernd Neuendorf fand einfühlsame Worte und beteuerte, Daum wäre ein großer Bundestrainer geworden, hätte man ihn gelassen.
Pierre Littbarski: „Ich habe drei Menschen verloren, meinen Lieblingstrainer, einen außergewöhnlichen Menschen, einen Freund!“ Auch seine Stimme stockte als er mit den Worten endete: „Christoph, danke, dass ich in deinem Leben sein durfte. Ich habe dich lieb!“
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, als Schwabe Fan des VfB Stuttgart, nannte Daum einen Freund: „Er hat sich nicht nur mit Uli Hoeneß wieder versöhnt, er hat sich für die schwul-lesbische Community eingesetzt und war Pate der „Schule ohne Rassismus“ am Albert-Schweizer-Gymnasium in Hürth. Das seien Signale an die Gesellschaft gewesen, die man wieder viel mehr beherzigen müsse, vor allem, wenn man an die letzten Wahlen denke.
Die Präsidenten der Istanbuler Vereine Besiktas und Fenerbahçe betonten, dass er eine Brücke zwischen dem deutschen und dem türkischen Volk gewesen sei, er sei geliebt worden, weil er die türkische Kultur und Sprache gelernt hatte. Zwei Vertreter der Deutschen Diabetes-Hilfe berichteten, dass Daum die Fußballmannschaft der Diabetes-Hilfe ehrenamtlich in den Spielen gegen den FC Bundestag betreut hatte: „Von 10 Spielen haben wir 8 gewonnen!“
Katja Burkard, TV-Moderatorin und Freundin der Familie erzählte von der privaten Seite Daums, von den Kindern und Enkeln und von seiner Frau Angelica, die ihm vor allem in den letzten vom Krebs geprägten Jahren zur Seite stand.
In all diesen Reden wird ein anderer Christoph Daum sichtbar: ein menschlicher, empathischer, emotionaler, humorvoller Mensch, ein liebevoller Ehemann, Vater und Großvater. Er ist im engsten Familienkreis auf Melaten beigesetzt worden.