Geschichte


Vorgeschichte

Das Gelände des Gutes Melaten war schon lange vor der Einweihung des Friedhofes am 29. Juni des Jahres 1810 ein Ort des Todes. Im Mittelalter sogar ein Ort des gewalttätigen Todes: Die öffentliche Hinrichtungsstätte der Stadt. 1529 wurden hier (nicht auf dem Friedhofs-, sondern auf dem Gutsgelände)  zwei Protestanten, Peter Fliesteden und Adolf Clarenbach, wegen ihres Glaubens verbrannt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden im Wahn der Hexenverfolgungen über 30 Frauen und Mädchen getötet. Erst 1797 wurde mit dem Kirchenräuber Peter Eick der letzte Mensch auf Melaten hingerichtet. Sein Tod fand viele Zuschauer.

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Der Name „Melaten“ basiert auf dem französischen Begriff für krank sein, „malade“. Denn ab dem 12. Jahrhundert befand sich auf dem Gelände vor den Stadttoren ein Heim für Leprakranke, zu dem auch der Hof Melaten gehörte. Wer als leprakrank galt, war ein Aussätziger, der das Gelände nur an bestimmten Feiertagen zum betteln verlassen durfte. An diesen Tagen wurden die Bürger vom Schellenknecht, der den Kranken voranging, vor ihnen und der drohenden Ansteckung gewarnt. Am Eingang zur alten Friedhofskapelle ist die Skulptur eines Schellenknechtes zu sehen: eine Erinnerung an das Schicksal der Aussätzigen. Als die Lepra in Europa weitgehend besiegt war, schloß auch das Asyl 1767. Die Gebäude waren bis 1801 „Zucht- und Arbeitshaus“. In diesem Jahr zogen die Waisenhauszöglinge aus der Maximinenstraße in die ehemalige päbstlich-nunintiale Residenz in der Wahlengasse.

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Gründung

Mit der französischen Besatzung 1794 änderte sich für die Kölner neben vielem anderen auch das Begräbniswesen. Denn 1804 erließ Napoleon das „Décret sur les sépultures“, welches zum Entsetzen der Kölner die Beerdigung in Städten, Dörfern und geschlossenen Gebäuden verbot. Vorbei die Zeit der Bestattung in Kirchen und auf dem Kirchhof. Die Nähe zum Altar bedeutete Nähe zu Gott, aber auch eine hohe Position in der sozialen Hierarchie. Diese Tradition fand zu Gunsten pragmatischer, vor allem hygienischer Erwägungen ein Ende – ein großer Schritt im Säkularisierungsprozeß.

Die Stadtverwaltung kaufte ein Grundstück auf dem Gelände des ehemaligen Leprosenasyls und ließ die Gebäude abreißen. Nach langen Verzögerungen, die offensichtlich nicht nur religiösen Ursprungs waren, wurde 1810 der Melatenfriedhof durch den Dompfarrer Michael Joseph Dumont eingeweiht. Die Friedhöfe innerhalb der Stadt wurden geschlossen, Köln hatte einen zentralen Friedhof. Dieser war zunächst noch nicht für alle Bürger geöffnet: bis 1829 durften nur Katholiken dort bestattet werden. Die Protestanten wurden bis dahin auf dem alten Geusenfriedhof im Weyertal vor den Stadtmauern begraben. Auch die jüdischen Mitbürger blieben Melaten lange fern. Sie wurden bis zur Anlage des jüdischen Friedhofs 1899 direkt bei Melaten in Deutz, ebenfalls vor den Stadtmauern, bestattet.

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lebendige Vielfalt

Melaten ist, wie die anderen großen Friedhöfe in Deutschland, auf eine besondere Weise nicht nur ein Ort des Todes, sondern einer des prallen Lebens – und das macht seine Faszination aus. Mit Leben und Lebendigkeit sind nicht nur die Besucher gemeint, die hier spazieren gehen, sich umsehen, frische Luft und Ruhe genießen, die Erinnerung an ihre Verstorbenen wach halten, oder auch die Gräber ihnen Unbekannter besuchen und pflegen.

Auf Melaten lebt Kunstgeschichte. Nicht wie in einem Museum, sondern offen, für jeden zugänglich und im originalen Kontext. Wir können klassizistische Grabmäler mit Motiven aus der griechischen und römischen Kunst betrachten. Mit der Fortsetzung der Arbeiten am Dom wurde die Neogotik zu einer Mode in Kunst und Architektur. Die Neorenaissance und der Neubarock hielten ebenfalls Einzug auf Melaten und sind, wie die anderen Stilrichtungen, in Grabstätten, Motiven, Skulpturen und Symbolen lebendig. Und – anders als in manchen Museen – ist hier auch ein teilweise wilder Stilpluralismus zu finden.

Auf Melaten lebt vor allem Sozialgeschichte, denn hier wurden mehrere Jahrzehnte alle bestattet, die Armen und die Reichen. Die soziale Hierarchie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts spiegelt sich noch heute in der Friedhofsanlage. An den Hauptwegen, den „Millionenalleen“, wurde repräsentiert. Die oben skizzierte Vielfalt und Pracht galt dem Ausdruck und der Präsenz der Großen und Reichen. In den immer wieder neu belegten Reihengräbern sind viele Namen und viel Geschichte verloren gegangen. Wir sehen noch heute einfache gußeiserne Kreuze und Steine; darunter auch viele Grabmäler aus der zunehmenden Massenproduktion. Und es zeigt sich, daß Armut auch hier kaum Spuren hinterläßt: Die Armengräber wurden einst nach fünfzehn Jahren neu belegt.

Auf Melaten lebt ganz private Familiengeschichte neben den vielen Prominenten wie Nicolaus August Otto (1832 – 1891), der 1876 den Viertakt-Motor vorstellte; der einst berühmte, von den Nazis ermordete Radrennfahrer Albert Richter (1912 – 1940); der aus dem Ruhrgebiet stammende Karnevalist Horst Muys (1925 – 1970); Schauspieler wie René Deltgen (1891 – 1974) und Willy Birgel (1909 – 1979); Ferdinand Franz Wallraf (1748 – 1824), der sich sehr für Melaten engagierte und seine reiche Kunstsammlung der Stadt Köln schenkte und Johann Heinrich Richartz (1795 – 1861), Museumsgründer; Maria Clementine Martin, die berühmte Klosterfrau mit dem Melissengeist (1775-1843), oder die Familie Farina mit dem Schöpfer des „Eau de Cologne“…

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Auf Melaten lebt, mit der Familien- und Individualgeschichte verwoben, Stadt- und auch Kriegsgeschichte. Ein Beispiel sind die Denkmäler: als Erinnerung an die im napoleonischen Heer gefallenen Kölner, an den Sieg der Preußen über Österreich, an die Opfer einer Gasexplosion im Jahr 1851 oder an die gefallenen Franzosen des Krieges 1870/1871. Und der Entstehungsanlaß des Melatenfriedhofes war die französische Besatzung von Köln ab 1794…

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Nicht zuletzt lebt hier die Natur in einer Vielfalt, wie sie mitten in einer Großstadt fast nur in dem Refugium Friedhof zu finden ist. Melaten ist ein Landschaftsschutzgebiet. Viele Pflanzenarten, stattliche alte Bäume, über vierzig Vogel- und unzählige Insektenarten, Katzen, Eichhörnchen, Fledermäuse leben hier – alle in friedlicher Koexistenz mit den Lebenden und den Toten. Und so war Melaten auch geplant: als Grünanlage, Ort der Ruhe und Besinnung.

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