Anton Räderscheidt (11.10.1892 – 8.3.1970)

Anton-Raederscheidt-Grab-Melatn-Friedhof

Die Dada-Bewegung in Köln – siehe den Artikel über Johannes Theodor Baargeld – hatte noch einen berühmten Mitstreiter: den Maler Anton Räderscheidt (1892-1970). Er war mit Hans Arp befreundet und gründete mit ihm, Heinrich Hoerle und anderen die Künstlergruppe Stupid. Räderscheidt hatte 1913 an der Richard-Wagner- Straße sein erstes Atelier eröffnet, verdiente ab 1919 sein Geld als freischaffender Künstler. Sein Stil der Neuen Sachlichkeit missfiel nach 1933 den nationalsozialistischen Machthabern, Räderscheidt floh mit seiner jüdischen Lebensgefährtin Ilse Meyer-Metzger nach Paris, später in die Schweiz. Die Nazis raubten sein Atelier in Paris aus. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin lernte er Gisèle Boucherie kennen, die er 1963 heiratete, ihr Grab liegt rechts neben seinem. Anton Räderscheidt war trotz allem ein fideler Zeitgenosse. In den 20er Jahren war er beteiligt an den Kölner Lumpenbällen; auf der Website http://www.raederscheidt.com heißt es dazu:

„Es fand dergestalt eine Integration statt, von Leuten, die zusammengehörten, die sich verstanden und die uns verstanden. Juden waren unsere zahlreichsten Kunden. Die Erlöse wurden geteilt. Sie haben im In- und Ausland manchen Freund über Wasser gehalten. Dieser Zweck und das eigene Vergnügen hinderten jedoch nicht, dass mit den Lumpenbällen ein ganz neuer Karnevalsstil in Köln begründet wurde. Eine solche Freiheit des Dionysischen hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Der offizielle Karneval, den wir verachteten, nahm uns nicht zur Kenntnis, wenngleich hin und wieder Versuche gemacht wurden, uns zu diffamieren.“ Wer denkt da nicht an die heutige Stunk-Sitzung?

Ein dramatisches, aus der Perspektive von Anton Räderscheidt möglicherweise eher skurriles Ereignis begab sich 2010. Wolfgang Stöcker, Mitglied unseres Melaten-Fördervereins, traute während einer Führung über den Friedhof seinen Augen kaum: Räderscheidts Grab war verschwunden. Er rief sofort dessen Sohn Pascal an, der von der Friedhofsverwaltung eine abenteuerliche Geschichte hörte: Friedhofsarbeiter hatten den Auftrag gehabt, eine Grabstätte „Radeschadt“ aufzulösen, kamen zufällig bei Räderscheidt vorbei und dachten: Dat isset! Der Grabstein wurde geschreddert und zum Straßenbahnbau benutzt – seine Einzelteile liegen jetzt irgendwo zwischen Nippes und Kalk auf den KVB-Gleisen. In Absprache mit der Friedhofsverwaltung fand sich ein würdiger neuer Platz: Neben dem Grab von Wilhelm Riphahn und gegenüber von Oswald Mathias Ungers, dem Architekten des neuen Wallraf-Richartz-Museums. Mit Ungers verband Räderscheidt ein erfreuliches Erlebnis: „Zurück in Köln hatten wir erstmalig eine Mansardenwohnung in Lindenthal“, berichtet sein Sohn Pascal Räderscheidt. „Ungers, noch Student, hat 1950 im Auftrag meines Vaters die Hotelrechnung bezahlt und die zurückgelassenen Werke in seinem VW-Käfer nach Köln gebracht.“ (Zitiert nach Kölner Stadt-Anzeiger vom 5.8.2010. Hier kann man den Artikel in voller Länger nachlesen.) Pascal Räderscheidt war überzeugt davon, dass sich sein Vater über die Grab-Affäre amüsiert hätte, schließlich hatte er schon vor seinem Tod gesagt: „Ihr könnt mich ja ausstopfen lassen, dann habt ihr länger was von mir.“

Auf YouTube gibt es ein Interview mit Anton Räderscheidt, der in unverfälschtem kölschen Tonfall das Geheimnis des Satzes auf seinem Grabstein enthüllt: „Ich male den Mann mit steifem Hut und die hundertprozentige Frau.“

Grabstätte: Weg V, zwischen Weg E und Weg F

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