Anfang des 19. Jahrhunderts griffen die Franzosen in die Kölner Begräbniskultur ein, die man kaum mehr als »Kultur« bezeichnen konnte: Die Toten waren regelmäßig exhumiert worden, um Platz zu machen für die neu Verstorbenen. Die halbverwesten Leichname wurden in »Gebeinhäusern« überall in der Stadt aubewahrt.
Die Franzosen verboten das: Ein neuer großer Friedhof außerhalb der Stadtmauern musste her – 1810 wurde der Melaten-Friedhof eröffnet. Im 19. Jahrhundert explodierte die Bevölkerungszahl. Trotz mehrerer Erweiterungen war Melaten 1886 an die Kapazitätsgrenze gelangt. In den Folgejahren gab es, modern formuliert, mehrere Startups: 1896 der Deutzer und der Nordfriedhof, 1901 der Südfriedhof. Mit 615.400 m² ist er heute der größte Begräbnisplatz in Köln und in jedem Fall einen Besuch wert. Einerseits kann man hier durch einen großzügig angelegten Park spazieren. Andererseits findet man Gräber von bekannten Kölnerinnen und Kölnern, vielleicht nicht in der Dichte wie auf Melaten, aber dennoch hoch spannend.
Eine der wenigen Publikationen über den Südfriedhof hat Günter Schwanenberg geschrieben: »Em Himmel es d’r Düvel loss. Musikalisch-literarische Streifzüge über den Südfriedhof«. Schwanenberg bietet tatsächlich musikalische Führungen auf dem Südfriedhof an: Mit seiner Gitarre singt er kölsche Lieder und erzählt Anekdoten; ich habe ihn dort selbst erleben dürfen und war begeistert! Kontakt: stadtgeschichte@web.de, 0221-99296465.
Hans Schäfer, Fußballspieler, geb. 19.10.1927. gest. 7. 11.2017
Beginnen wir mit Urgestein des 1. FC Köln: Hans Schäfer. Ich muss an dieser Stelle persönlich werden. Als Kind und Fan des 1. FC Köln und seines Kapitäns Hans Schäfer gab es für mich zwei Zielpunkte meiner Fahrradtouren: Das Geißbockheim (für Nicht-Fans: Clubheim des FC) und die Franzstraße 77 in Lindenthal. Dort wohnte Hans Schäfer, und ich hoffte inbrünstig, dass sich die Tür auftat und er mir ein Autogramm geben würde. Was leider nie passiert ist. Immerhin habe ich ihn oL im Müngersdorfer Stadion spielen sehen. Er war der Boss, ein rustikaler, technisch versierter Spielmacher, wegen seiner robusten Kommunikationsformen, aber auch seiner kräftigen Nase »de Knoll« genannt.
Ursprünglich spielte er auf Linksaußen, war Mitglied der deutschen WeltmeistermannschaL von 1954, wurde mit dem FC zweimal deutscher Meister: 1962 und 1964. Nach seinem Tod 2017, er wurde 90 Jahre alt, wurde die Südtribüne des Rhein-Energie-Stadions in »Hans-Schäfer-Südkurve« umbenannt. Man ehrte nicht nur den herausragenden Kapitän des 1. FC Köln, sondern auch den heimatverbundenen
kölschen Jung, der als Halbprofi eine Tankstelle am Lindenthalgürtel, Ecke Dürener Straße betrieb und in der Gaststätte »Kleiner Geisbock« an der Dürener Straße regelmäßig zu finden war und mit alten und jungen Fans bis ins hohe Alter gerne über den FC fachsimpelte.
Grabstelle: Flur 22
Franz Kremer, FC-Präsident, geb. 30. Juli 1905, gest. 11.11.1967
Wenn ein Kölner am 11.11. stirbt, ist das schon eine Tragik an sich. Als aber der Gründer und schon zu Lebzeiten legendäre Präsident des 1. FC Köln starb, stand die Stadt still. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war Franz Kremer Vorsitzender des kleinen Vorortvereins Kölner BC von 1901. Aber er hatte exorbitante Pläne. Er sorgte für den Zusammenschluss mit der Spielvereinigung Sülz 07: 1948 hob er den 1. FC Köln aus der Taufe. Aus damaliger Sicht musste es überheblich erscheinen, wenn er für die Fusion mit den Worten warb: »Wollen Sie mit mir deutscher Meister werden?«
In der Nachbetrachtung musste man ihm recht geben. Nicht nur führte er den FC zu zwei Meisterschalen. Er baute die Vereinsstruktur professionell auf, legte 1953 den Grundstein für den Bau des Geißbockheims am Militärring und machte den Verein für viele Jahre zu einem der führenden Fußballclubs in Deutschland. Der FC spielte in den 60er Jahren traditionell in weißen Trikots – dass man dabei an Real Madrid dachte, war von Franz Kremer beabsichtigt. Die Gründung der Bundesliga 1963 kam auf Betreiben Kremers zustande. Ihm war klar, dass der deutsche Fußball international nur mithalten kann, wenn man die besten Mannschaften in einer Liga zusammenfasst und die Fußballer so bezahlt, dass sie von ihrem Beruf leben können.
Nach dem 1:2-Auswärtssieg des FC gegen Eintracht Frankfurt 1967 starb Franz Kremer mit gerade einmal 62 Jahren. Manche FC-Anhänger schwören, dass man mit ihm als Präsident eine Stellung wie Bayern München hätte erreichen und festigen können.
Grabstätte: Flur 15
Jean Löring, Fußballer, FußballfunkRonär, Unternehmer, geb. 16.8.1934, gest. 6.3.2005
Geboren wurde er eigentlich als Hans, als solchen kannte ihn aber niemand, er nannte sich selbst „Jean“, in Köln aber wurde er von allen „Schäng“ gerufen. Das umschreibt treffend seinen Charakter: Er war ein Macher, hemdsärmelig, robust, geradeaus, aber auch ein Schlitzohr. Gelernter Elektriker wurde er nach seiner Ausbildung Fußballer mit einigen Stationen, wie Preußen Dellbrück, Viktoria Köln,
Alemannia Aachen. Seine HüLe machte bald nicht mehr mit. Er baute ein Elektro-Unternehmen auf, mit bald 300 Beschädigten. Und dann kam die Position, die ihn zur Legende machte: 1966 wurde er Präsident des SC Fortuna Köln und blieb es bis 2001. Unterdessen zwickte die HüLe offenbar weniger, und er sprang als Spieler bei seiner Fortuna ein, immerhin spielte man in der Regionalliga.
1973 sWeg die Fortuna sogar in die Bundesliga auf, allerdings nach einem Jahr wieder ab. 1983 stand die Fortuna im DFB-Pokalendspiel gegen den 1. FC Köln, das 0:1 verloren ging. Dass Löring der Boss war, zeigten mindestens zwei Vorfälle. 1999 entließ er in der Halbzeitpause des Spiels gegen Waldhof Mannheim beim Stand von 0:2 den Trainer Toni Schumacher (ja, das FC-Idol!), Endstand 1:5. Löring: „Ich als Verein musste reagieren!“ Das zweite Ereignis wird als Gerücht kolportiert, aber wer Löring erlebt hat, glaubt es: Während eines Spiels im Südstadion fiel die Flutlichtanlage aus, das Spiel drohte abgebrochen zu werden. Der Ex-Elektriker Schäng Löring soll zwei Starkstromkabel mit bloßen Händen zusammengehalten haben, bis das Spiel zu Ende war.
Seine Unternehmen hatten keinen Erfolg mehr, er fiel als Mäzen für „seine“ Fortuna aus, der Verein musste mehrmals Konkurs anmelden. Aktuell spielt Fortuna in der Regionalliga West. Seinen Ruf als Südstadtlegende begründete Löring auch damit, dass seine Fortuna zeitweise eine der größten Jugendabteilungen im deutschen Fußball ha,e, er holte die Jungs (zu seiner Zeit leider noch keine Mädchen) von der Straße – im proletarischen Sülz-Klettenberg der Nachkriegszeit eine große Tat!
Grabstätte Flur 21
Peter Müller, geb. 24.2.1927, gest. 22.6.1992
Im gleichen Jahr wie Hans Schäfer geboren, und mit einer ähnlichen Nase ausgestattet (allerdings in seinem Fall durchs Boxen verunstaltet), hätte man ihn auch »de Knoll« nennen können, wie Schäfer. Sein Spitzname aber war: »de Aap«, oder »Müllers Aap«, also: der Affe. Nicht sehr freundlich, aber ne, gemeint. Er boxte meist in einer gebückten Haltung,
daher dieser Vergleich. Er war fünfmal deutscher Meister im Mittelgewicht, immerhin. Zweimal stand er in einem Kampf um die Europameisterschale Beim ersten Mal, 1959, knockte ihn Bubi Scholz nach zwei Minuten aus. 1963 verlor er gegen Lászó Papp in der vierten Runde ebenfalls durch K.o.
Viel bekannter wurde er durch ein Ereignis in einem Kampf 1952. Ringrichter Max Pippow ermahnte ihn mehrmals wegen Klammerns. Angeblich bezeichnete er Müller dabei als »Zigeuner«. Darauvin schlug Müller Pippow K.o., dazu noch vier Sekundanten und seinen Boxmanager und Schwiegervater Jupp Thelen. Das brachte ihm eine lebenslange Sperre ein, die allerdings schon nach 10 Monaten wieder aufgehoben wurde.
Berühmt und beliebt wurde »de Aap« vor allem durch seine Auftritte als Schlagersänger (»Rädebomm, dä Jong, dä fällt nit om«) und als Schauspieler in Werbespots, wo er gefragt wurde: »Was halten Sie von OMO?« Antwort: »Dä schlahn isch in der eetste Rond kapott!«
Der ehemalige Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes beschrieb Müller so:
De Aap gehört zur Kölner Zeitgeschichte und erst recht zur deutschen Boxgeschichte. Er war immer ein liebenswertes Original und haAe das Herz am rechten Fleck. Er hat geredet, was GoA verboten hat – und unterschied sich mit seinem Kampfgeist auch außerhalb des Rings wohltuend von den vielen glatten Figuren der Gegenwart im Profisport.
zitiert nach Günter Schwanenberg, Em Himmel es d’r Düvel loss, S. 91
Man glaubt es kaum, aber Peter Müller ist sogar mal als Ringrichter aufgetreten. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die beiden Boxer mehr Angst vor ihm als voreinander ha,en.
Grabstä6e: Flur 3, Nähe des Haupteingangs südlich des Hauptwegs