In Köln gibt es einige Persönlichkeiten, die Kultstatus erreicht haben, zum Teil schon zu Lebzeiten: Volksschauspieler Willy Millowitsch gehört dazu, Theo Burauen, der beliebteste Oberbürgermeister der Kölner Geschichte, Hennes Weisweiler, FC-Meistertrainer, Peter „de Aap“ Müller, legendärer Boxer der 50er und 60er Jahre, Trude „Niemals geht man so ganz“ Herr, Schauspielerin und Sängerin mit eigenem Theater in der Severinstraße.
Alexandra Kassen kann man auch in diese Reihe stellen. Vielleicht war sie nicht ganz so volkstümlich, nicht ganz so laut wie manch andere Kultfigur, aber präsent in der Kölner Kultur war sie wie keine Zweite. „Et Hötche“ wurde sie genannt, wegen ihrer originellen Hüte, mit denen sie in der Öffentlichkeit auftrat. Aber die waren nur ein äußerliches Accessoire, ihr Lebenswerk bestand aus etwas Anderem: Sie war die Prinzipalin des deutschlandweit bekannten Senftöpfchen-Theaters in der Großen Neugasse am Rand der Kölner Altstadt.
Das Senftöpfchen war 1959 von ihr und ihrem Mann Fred Kassen (gest. 1972) gegründet worden. Vorausgegangen war die Eröffnung der Künstlerkneipe „Stachelschwein“ in München. Aus der dort gastierenden Kabarettgruppe „Die Namenlosen“ wurde später die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ mit Dieter Hildebrandt an der Spitze. Das Senftöpfchen in Köln setzte diese Tradition fort. Dieter Hildebrandt, Hanns Dieter Hüsch, Werner Schneyder und viele andere berühmte Kabarettisten, Chanson-Sänger/innen, Travestie-Künstler/innen waren von Anfang an dabei.
1986 zog man von der Pipinstraße in die Große Neugasse um. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Alexandra Kassen das Theater übernommen. Ihr kommt das große Verdienst zu, viele junge Talente entdeckt und gefördert zu haben. Namen wie Ingo Appelt, Dieter Nuhr, Konrad Beikircher, Jürgen von der Lippe, Harald Schmidt, Konstantin Wecker, Wilfried Schmickler sind eng mit dem Senftöpfchen- Theater verbunden. Kölsche Bands wie die Bläck Fööss und De Höhner hatten in den 70er Jahren hier ihre ersten Auftritte. Alfred Biolek startete 1973 seine Live-Talkshow „Wer kommt, kommt“, die ab 1976 als „Kölner Treff“ vom WDR gesendet wurde. 1999 wurde ihr im Schloss Bellevue in Berlin vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog der Verdienstorden 1. Klasse für „ihr Engagement um die Kleinkunst und die Förderung junger Talente“ verliehen.
Alexandra Kassen konnte all diese herausragenden Künstler um sich scharen, weil sie über einige wunderbare Eigenschaften verfügte: Sie hatte ein waches Auge für unbekannte Talente, sie konnte zuhören, motivieren, helfen, unterstützen, trösten. Alle Interpreten, die bei ihr aufgetreten sind, betonten: Die Kassen war bei jeder Vorstellung dabei, kam in die Garderobe, wünschte Erfolg, kümmerte sich um „ihre“ Interpreten. Ihre Tochter Alexandra Franziska führt nach dem Tod der Mutter am 25. Juni 2017 das Senftöpfchen weiter.
In der Todesanzeige für Alexandra Kassen stand in Hinblick auf die Beerdigungsfeier auf dem Melaten-Friedhof: »Wir bitten um lebensbejahende Kleidung. Anstatt zugedachter Blumen und Kränze bitten wir im Sinne der Prinzipalin um eine Spende an den Förderverein des Senftöpfchen-Theaters«. »Ein rotes Hötche saß keck auf der ebenso roten Urne. Und erinnerte ein wenig augenzwinkernd an Alexandra „Et Hötche“ Kassen«, schreibt der Express über die Beerdigung – hier nachzulesen.
Hier kann man Alexandra Kassen in einem WDR-Film über 50 Jahre Senftöpfchen sehen.
Grabstätte: Flur 71, Nr. 45-46