Sigmar Polke

* 13.02.1941 in Oels

10.06.2010 in Köln

Kunst

LAGE DES GRABES: Lit D Nr. 28

1945 Vertreibung der Familie aus Niederschlesien nach Thüringen
1953 Umzug der Familie nach Düsseldorf
1959 Glasmalerlehre in Düsseldorf-Kaiwerswerth (bis 1960)
1961 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf (bis 1967)
1963 Gründung des «Kapitalistischen Realismus» gemeinsam mit Gerhard Richter und Konrad Lueg
1970 (Gast-)Professor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg (bis 1991)
1972 Teilnahme an der Documenta 5 in Kassel
1972 Wohnt und arbeitet im Willicher Gaspelhof (bis 1978)
1977 Teilnahme an der Documenta 6 in Kassel
1978 Umzug nach Köln
1982 Teilnahme an der Documenta 7 in Kassel
2009 Veröffentlichung seiner Erneuerung der Glasfenster des Zürcher Grossmünsters

Sigmar Polke ist einer der namhaftesten, innovativsten, umstrittensten und teuersten deutschen Maler der Gegenwart. In Schlesien kam er auf die Welt, seine Familie floh mit ihm 1945 nach Thüringen, 1953 ging es weiter nach Düsseldorf. Hier absolvierte er eine Glasmalerlehre und studierte in den wilden 60er Jahren an der Kunstakademie.

Zusammen mit Gerhard Richter und Konrad Lueg gründete er einen Kunststil, dessen Name programmatisch für die ironische Haltung Polkes und seiner Mitstreiter war: »Kapitalistischer Realismus«. Man orientierte sich an der neuen amerikanischen Pop-Art und setzte dem monumentalen »Sozialistischen Realismus« der Ostblockstaaten eine Kunst entgegen, die dem in ihren Augen altbackenen und gleichzeitig nationalistischen Verständnis vor allem der DDR-Künstler rückständige Spießigkeit vorwarf.

Sigmar Polke – Propellerfrau (Öl auf Gardine; 1969)

Polke machte bald Karriere: Er wurde Professor an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und war an der Documenta 5 in Kassel, ebenso der Documenta 6 und der Documenta 7 1982 beteiligt – eine Art Ritterschlag für bildende Künstler. Seine Arbeiten, oft Collagen aus Fotos, Zeitungsschnipseln und anderen Materialien, stellten die Kunstkritik vor diffizile Probleme: Wo bleibt das Ernsthafte?

Man kann das recht anschaulich an der Diskussion über eines seiner berühmtesten Bilder nachvollziehen: »Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!« In der ZEIT vom 3. April 2019 setzt sich der Autor Luca di Blasi mit der Rezeption dieses Werkes auseinander. Er verweist auf seinen Kollegen Hajo Müller, der schon 12 Jahre zuvor in derselben Zeitung dieses Bild beschrieb als »ein ziemlich albernes und ziemlich berühmtes Bild, das damals, 1969, auf eine schöne Entheiliger-Karriere deutete.« (ZEIT, 03.04.2019) Polke habe sich immer schon zu Fragen nach der Bedeutung seiner Werke sibyllinisch geäußert:

Ich stand vor der Leinwand und wollte einen Blumenstrauß malen. Da erhielt ich von höheren Wesen den Befehl: Keinen Blumenstrauß! Flamingos malen! Erst wollte ich weitermalen, doch dann wusste ich, dass sie es ernst meinten.

Sigmar Polke
Zwei im Spiegel – Sigmar Polke und Angelika Platen (Willich, 1972)

Di Blasi nimmt Polke ernst. Möglicherweise habe er sich orientiert an dem Werk des russischen Künstlers Kasimir Malewitsch von 1915: das »Schwarze Quadrat«, das sich provokativ mit der russischen Ikonen-Tradition auseinandersetzt.

Der Autor sieht allerdings eine andere Deutung des »Höhere-Wesen-Bildes« als wahrscheinlicher an: »Dem 1953 aus Thüringen geflohenen Polke ging es hier offensichtlich darum, zwei Dinge aneinanderzurücken, die im Westen damals weithin als entgegengesetzt betrachtet wurden: Nationalsozialismus und Abstraktion.« Das ist zweifelsohne eine kühne These, die aber im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge fällt, wenn man di Blasi in seinem visuellen Slalomlauf folgt: Er sieht eine zwingende Parallele zu dem Buch »Er ist wieder da« von Timur Vermes, genauer gesagt: zu dessen Titelbild. Das ist mehr als kühn, das ist spektakulär, bahnbrechend, es entbehrt – wie alle Polke-Bilder – der rationalen Beweisführung, es ist: polkesk!

Gleichzeitig nennt di Blasi Polke »eine der herausragenden Künstlergestalten der Gegenwart«. Die New York Times vermutete, er sei womöglich noch einflussreicher als die US-amerikanischen Nachkriegstitanen Andy Warhol, Jasper Johns oder Robert Rauschenberg. Das Museum of Modern Art in New York pries ihn als einen der »wichtigsten und größten Künstler des 20. Jahrhunderts«.

Sigmar Polke (rechts) gemeinsam mit seinem Freund Dieter Frowein-Lyasso (Foto von Cornel Wachter)

Es scheint so, dass Ironie auch den Kunstmarkt beflügeln kann. 2004 lagen zwei deutsche Maler an der Spitze der weltweiten Liste der gefragtesten und teuersten Künstler: Platz 1 ging an Gerhard Richter, Platz 2 an Sigmar Polke; Polke führte diese Rangliste sogar von 1999 bis 2003 an. (Frankfurter Allgemeine, 27.10.2004) Das Auktionshaus Lempertz führt Polke-Bilder zurzeit mit Preisen zwischen 158.600,–€ und 648.000,–€. Und wie das so ist bei verstorbenen Künstlern: Das Angebot steigt nicht mehr, das könnte bei konstanter Nachfrage zu ansteigenden Preisen führen. Vielleicht liegt das aber auch nur an »höheren Wesen«…

Grab von Sigmar Polke auf dem Melaten-Friedhof in Köln

Ein Gedanke zu “Sigmar Polke

  1. Hallo!
    „Sigmar ist der Größte“, rief mein Schulkamerad Rainer Opoku anläßlich der großen Ausstellung in der Bundeskunsthalle aus und er hat Recht. Zeigt ir einen ideenreicheren Kollegen, mit Mut zu Experimenten und politischen Aussagen. „Doktor Bonn“, ein Bild zum RAF-Komplex in einer Zeit gemalt als Äußerungen zu diesem Thema noch zu Hausdurchsuchungen bei Heinrich Böll führten!

    Lieber Verfasser des Textes, eines ist aber falsch Sigmar hat im Gegensatz zu seiner ersten Frau Karin keine Glasmaleerlehre absolviert er hat ein Praktikum bei Derix gemacht, da er dies für die Aufnahme an der Kunsthpchschule benötigte. Ich hatte herrliche Gespräche mit seinem Vorarbeiter, der Sigmar als Mitarbeiter sehr schätzte, doch wusste, „für ihn war der Beruf zu eng“.

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