Tiny Wirtz

Tiny-Witz-Albumcover-Ausschnitt

* 24.12.1923 in Kerpen

09.01.2023 in Köln

Kunst

LAGE DES GRABES: Weg J, zwischen Weg B und Weg C

1946 Studium an der Kölner Musikhochschule Klavier bei Prof. Hans Anwander
1963 leitete die Soloklasse für Klavier an der Kölner Musikhochschule und unterrichtete Meisterkurse in Österreich, Bulgarien, China, Japan und Korea (bis 1994)
2000 Erhalt des Bundesverdienstkreuzes
2005 Ehrenmitgliedschaft der Hermann-Schroeder-Gesellschaft

Wer glaubt, der Rhein-Erftkreis sei provinziell, der irrt. Gleich zwei weltberühmte Musiker rückten in den letzten Tagen in den Mittelpunkt des Interesses, die hier geboren, aufgewachsen und gestorben sind: Tiny Wirtz, Pianistin aus Horrem, und Bernd Alois Zimmermann, Komponist aus Bliesheim.

Am 9.1.2022 starb Tiny Wirtz mit 99 Jahren. Am Mittwoch wurde sie auf dem Melaten-Friedhof in Köln begraben. Pfarrer Franz Meurer, in Köln bekannter Priester mit rheinischem Zungenschlag und unbekümmerter Redeweise, führte durch die Trauerfeier in der Maria Magdalena Kapelle auf Melaten. Er umschrieb in berührender Weise den Charakter der Verstorbenen: «Bei aller Disziplin hatte ihr Leben etwas Leichtes gehabt, etwas Großzügiges. Sie hatte gelegentlich einen recht bissigen Humor.» Herbert Vietor, Organist und ehemaliger Musiklehrer am Kerpener Gymnasium, konnte bei anderer Gelegenheit dazu eine Anekdote beitragen: «Einer ihrer Klavierschüler kam niedergeschlagen von einem Wettbewerb, er hatte verloren. Tiny Wirtz beruhigte ihn. Wenn man alle Töne, die der Sieger falsch gespielt hat, zusammennimmt, könne man daraus eine komplette Klaviersonate komponieren!»

Tiny Wirtz bekam schon als Kind beim Organisten der Horremer Pfarrkirche Klavierunterricht; nach kurzer Zeit merkte ihr Lehrer aber, dass sie zu gut für ihn war. Also gaben ihre Eltern sie zu einem Pianisten nach Köln, sie ging auf die Rheinische Musikschule und bestand am 12.4.1946 ihre Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Köln. Am selben Abend, was man durchaus als Sensation auffassen darf, debütierte sie mit der Uraufführung der «Extemporale» von Bernd Alois Zimmermann in Hörsaal I der Kölner Universität.

Später führte sie alle Solo-Klavier-Werke Zimmermanns als erste auf. Zimmermann war einer der angesehensten Komponisten der Neuen Musik, berühmt wurde seine Oper «Die Soldaten», die 1965 an der Kölner Oper uraufgeführt wurde. Die enge Beziehung zwischen Tiny Wirtz und Bernd Alois Zimmermann zeigte sich auch darin, dass Tiny Wirtz die Patentante seine Sohnes Gereon war. Bettina Zimmermann, die Tochter von Bernd Alois, zitiert in ihrem Buch über ihren Vater («con tutta forza – Bernd Alois Zimmermann») Tiny Wirtz: «Es war eine nette Freundschaft zwischen uns. Man machte etwas zusammen und unterhielt sich dann. Wir haben uns über Musik unterhalten, auch manchmal gealbert, er hat ja auch Witze erzählt. Er sprach ein anderes Platt als wir in Horrem, rrrrollte das r und erzählte die Witze dann auf Bliesheimer Platt.»

Tiny Wirtz wurde aufgrund ihres Talents, aber auch wegen ihrer Unerschrockenheit von einflussreichen Mäzenen gefördert, zum Beispiel von Peter Werhahn, einem bekannten Unternehmer, dem unter anderem die Horremer Brikettfabrik gehörte. Sie zählte zu den Gründungsmitgliedern der Donnerstagsgesellschaft Alfter, einem Zusammenschluss von Kunstinteressierten Menschen, z.B. dem Politiker Carlo Schmid, dem Juristen und Kunstsammler Josef Haubrich, dem Maler Georg Meistermann, der Schauspielerin Elisabeth Flickenschild. Sie war auch Mitglied bei den «Soroptimist International», einem Zusammenschluss berufstätiger Frauen.

Tiny Wirtz machte nicht nur Zimmermann bekannt, sie widmete sich auch romantischen Komponisten wie Robert Schumann, dessen «Blumenstück» bei der Beerdigungsfeier zu hören war, in einer Einspielung von Tiny Wirtz. Auch dem Jazz stand sie nahe und zeitgenössischen Komponisten wie Claude Debussy, Paul Hindemith und Igor Strawinsky.

Wirtz arbeitete mit namhaften Dirigenten zusammen, viele Jahre lang nahm sie Einspielungen für die ARD-Anstalten auf. Stefan Kraus, Leiter des Kölner Kolumba-Museums, berichtete bei der Trauerfeier, dass sie für diese Einspielungen nur ein schlechtes Honorar erhalten habe, sie diese später dann zum Eigenbedarf nutzen wollte und dafür einen deutlich höheren Preis entrichten musste. Mehr als 30 Jahre unterrichtete sie als Professorin an der Musikhochschule Köln.

Ihr Grab auf Melaten liegt zwischen dem des Malers Friedrich Vordemberge und dem von Toni Feldenkirchen, dem Leiter des Kölnischen Kunstvereins von 1942 bis 1972. Kolumba-Leiter Kraus: «Sie hatte sich die Grabstelle schon vor Jahren gekauft. Sie bestand darauf, dass der Grabstein aus unbehandelter Grauwacke die beiden Nachbargräber auf keinen Fall dominieren dürfe.» Eine große Künstlerin und eine bescheidene Frau.

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