Im Juni 2019 habe ich den Newsletter Nr. 5 über Melaten herausgegeben. Darin gab es eine Geschichte über den früheren Chef des Bankhauses Herstatt, Ivan D. Herstatt. In diesem Newsletter hatte ich geschrieben: „Dany Dattel sei der Hauptdrahtzieher gewesen, so beschreibt es die Website Rheinische Geschichte. Dany Dattel kam aus gesundheitlichen Gründen ungeschoren davon, schreibt das Manager Magazin.“
Warum greife ich das Thema wieder auf? Im ZDF kommt dieser Tage eine Dokumentation mit dem Titel: „Verfolgt. Die sieben Leben des Dany Dattel“, jetzt schon in der Mediathek zu sehen. Der Film ist ein Lehrstück über Antisemitismus in der Nachkriegszeit. Dattel ist 1939 geboren, mit seiner Familie wurde er nach Auschwitz deportiert. Wie durch ein Wunder überlebten er und seine Mutter. Kurz vor seinem Tod reiste Dattel mit dem Filmteam nach Auschwitz und sah all die schrecklichen Orte wieder. Als alter Mann sagt er verstörende Sätze, wie: „In gewisser Weise ist Auschwitz meine Heimat.“
Nach dem Krieg geht er mit seiner Mutter zunächst nach Israel, dann 1952 nach Köln. Eigentlich will er Schauspieler werden, bewirbt sich mit Erfolg an der Schauspielschule des Theaters Der Keller. Seine Mutter aber verbietet ihm das und verschafft ihm eine Lehrstelle bei der Herstatt-Bank. Anfangs widerwillig durchläuft er die Lehre dann doch erfolgreich und steigt in den Devisenhandel ein. Das Geschäft erweist sich als Goldgrube. Hans Gerling, Mehrheitsaktionär der Bank übt Druck aus, Gewinne mussten gemacht werden. 1973, im Jahr der überbordenden Profite, bricht die Ölkrise aus. Die Banken werden mitgerissen, der im Vergleich zur Deutschen Bank, Dresdner und Commerzbank kleinen Herstatt-Bank werden 1974 Hilfskredite der Bundesbank versagt, die Bank macht Pleite.

Laut Dattel habe Herstatt zu ihm gesagt: „Übernehmen Sie die Verantwortung, Sie waren in Auschwitz, Ihnen wird man nichts tun!“ Herstatt und Gerling geben sich unwissend, in der Öffentlichkeit steht Dattel als Hauptverantwortlicher da. Sein Judentum rückt plötzlich in den Fokus. Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau sprechen von dem „Mann mit der Hakennase“, der Stadt-Anzeiger zeigt bewusst ein Bild von ihm im Profil.
1976 wird Dattel festgenommen und verbringt 10 Monate in Untersuchungshaft. Nach langen Verhandlungen, bei denen der Richter intimste Details aus Dattels Privatleben an die Öffentlichkeit bringt, wird er für haft- und verhandlungsunfähig erklärt. Der Grund: Das Auschwitz-Syndrom. Bis an sein Lebensende am 13.2.2023 kämpfte er um seine Rehabilitierung.
Ivan Herstatt erhielt 2 Jahre auf Bewährung, Hans Gerling wurde nie angeklagt.